Die Geschichte der sowjetischen Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg ist ein Kapitel, das lange im Schatten stand. Tausende Frauen meldeten sich freiwillig, kämpften an der Front, dienten als Sanitäterinnen, Scharfschützinnen, Funkerinnen. Doch ihr Mut wurde nach der Gefangennahme von einer unvorstellbaren Hölle verschlungen.

Für das NS-Regime galten sowjetische Kriegsgefangene grundsätzlich als „Untermenschen“. Frauen waren doppelt entrechtet: als Russinnen und als weibliche Soldaten. Sie brachen nicht nur die Nazi-Rassenideologie, sondern auch traditionelle Geschlechterbilder. Das machte sie in den Augen der Deutschen zu besonders verachteten und „zu brechenden“ Feinden.
Bei der Gefangennahme wurden viele dieser Frauen sofort misshandelt. Uniformen wurden ihnen vom Leib gerissen, Ausweise und Orden zerstört, um ihnen Identität und Würde zu nehmen. Die Deutschen betrachteten sie nicht als reguläre Kombattantinnen, sondern als Freaks, Verräterinnen an der „Natur der Frau“, ohne Anspruch auf Schutz.
Schon auf den Märschen in die Gefangenenlager herrschten hungernde Kolonnen, Gewalt und Willkür. Viele Soldatinnen waren verwundet, bluteten oder völlig entkräftet, wurden aber gezwungen, kilometerweit zu laufen. Wer stürzte, wurde geschlagen, getreten oder einfach am Straßenrand liegengelassen, ohne Wasser, ohne Verband.
In den Lagern wurden weibliche Gefangene oft sofort von den Männern getrennt. Auf dem Papier sollte das „Ordnung“ schaffen, in der Praxis öffnete es Tür und Tor für systematischen Missbrauch. Die meisten Frauen landeten in improvisierten Baracken, Ställen, Kellern oder Nebenlagern, abgeschnitten von jeder äußeren Kontrolle und Öffentlichkeit.
Nahrung und medizinische Versorgung waren katastrophal. Sowjetische Soldatinnen erhielten meist noch weniger Essen als männliche Gefangene. Unterernährung, Skorbut, Typhus, Ruhr und unbehandelte Verletzungen rafften viele dahin. Eine Verwundung an der Front bedeutete im Lager oft ein langsames, qualvolles Sterben, fernab jeder Heilbehandlung oder Schmerzmittel.
Besonders grausam war der sexuelle Terror. Viele dieser Frauen wurden zum Freiwild für Wachpersonal, Offiziere und manchmal sogar für Kollaborateure aus Hilfstruppen. Vergewaltigungen, Gruppenvergewaltigungen, nächtliche „Abholungen zum Verhör“ waren Alltag. Wer Widerstand leistete, wurde geschlagen, gefoltert oder als „Aufrührerin“ exekutiert.
Einige Lager richteten inoffizielle „Frauenhäuser“ oder Bordelle ein, in denen Gefangene zur Prostitution gezwungen wurden. Die Grenze zwischen Verhörraum, Krankenstation und Zwangsbordell verwischte. Schwangerschaften waren die unausweichliche Folge. Abtreibungen wurden mit primitiven, lebensgefährlichen Methoden durchgeführt oder die Frauen mussten heimlich Kinder in Stroh und Dreck gebären.
Kinder, die unter solchen Umständen geboren wurden, blieben selten lange am Leben. Es fehlte an Milch, Hygiene, Wärme. Manche Aufseher sahen in diesen Babys „unerwünschte Beweise“ und reagierten mit brutaler Kälte. Berichte sprechen von Neugeborenen, die ihren Müttern weggenommen, „verschwunden“ oder einfach sterbend liegen gelassen wurden.
Hinzu kam die ständige ideologische Erniedrigung. Frauen wurden verspottet, weil sie zur Armee gegangen waren, beschuldigt, keine „richtigen“ Frauen zu sein. Deutsche Propaganda zeichnete sie als Fanatikerinnen, Kommunistinnen ohne Moral. Viele Gefangene mussten stundenlang Beschimpfungen, „Verhöre“ und psychische Folter ertragen, um sie zu brechen.
Trotz dieser Hölle entwickelten die Soldatinnen Formen stillen Widerstands. Sie teilten heimlich Brotkrumen, tauschten Informationen, gaben einander Decknamen. Geschichten aus der Heimat, leise gesungene Lieder oder gemeinsam wiederholte Gedichte wurden zu Waffen gegen die Entmenschlichung, winzige Rettungsboote für Identität und Hoffnung.
Manche Frauen versuchten mutige Fluchten, oft mit männlichen Mitgefangenen. Die Chancen waren gering: Minenfelder, Wachtürme, Hunde, Denunziationen. Viele wurden nach wenigen Kilometern wieder gefasst. Die Strafen waren drakonisch: Erschießungen vor den Augen anderer Gefangener oder Rückversetzung in noch brutalere Strafkommandos.
Die deutsche Behandlung sowjetischer Soldaten und Soldatinnen verstieß gegen alle Grundsätze des Völkerrechts, insbesondere gegen die Genfer Konventionen. Doch das NS-Regime betrachtete die Sowjetunion nicht als gleichwertigen Gegner. Politische und rassistische Ideologie überwog jeden Gedanken an humanitäre Pflichten gegenüber Gefangenen.
Die Rückkehr der überlebenden Frauen in die Sowjetunion brachte selten Erlösung. Viele wurden nicht als Heldinnen empfangen, sondern mit Misstrauen und Verdacht. Die stalinistische Führung stufte ehemalige Kriegsgefangene oft als potenzielle Verräterinnen oder „vom Feind kontaminierte“ Personen ein, unabhängig von ihrem tatsächlichen Verhalten.
Statt Anerkennung erhielten zahlreiche Heimkehrerinnen Verhöre durch den Geheimdienst, Aufenthalte in Filtrationslagern oder sogar neue Haftstrafen. Ihre Erfahrungen von Missbrauch, Folter und Vergewaltigung galten als „Schande“, über die geschwiegen werden musste. Opfer wurden so ein zweites Mal bestraft, diesmal von der eigenen Seite.
Scham und Stigmatisierung sorgten dafür, dass viele Frauen jahrzehntelang schwiegen. Sie gründeten Familien, arbeiteten als Krankenschwestern, Arbeiterinnen, Lehrerinnen, trugen aber einen unsichtbaren Krieg in sich. Albträume, chronische Schmerzen, unbenannte Traumata begleiteten sie durch ein Leben, in dem niemand ihre Geschichte hören wollte.
Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts begannen einige Historiker, Journalistinnen und Aktivistengruppen, systematisch nach diesen Schicksalen zu fragen. Interviews mit wenigen noch lebenden Zeitzeuginnen, Tagebücher, Briefe und Archivfunde zeichneten ein erschütterndes Bild. Aus gesichtslosen Zahlen wurden wieder konkrete Frauen mit Namen, Stimmen, gebrochenen Träumen.
Die „vergessenen Seiten“ dieser Geschichte zeigen, wie Krieg die Grenzen von Front und Heimat auflöst und den weiblichen Körper zum Schlachtfeld macht. Die Soldatinnen wurden nicht nur wegen ihrer Uniform angegriffen, sondern weil sie das Bild der passiven, schutzbedürftigen Frau radikal in Frage stellten.
Das Schweigen über ihr Leiden ist selbst Teil der Gewalt. Es raubt ihnen das Recht auf Erinnerung und Anerkennung. Indem wir heute ihre Geschichten rekonstruieren, retten wir zumindest ein Stück ihrer Würde. Erinnerung kann das Geschehene nicht ungeschehen machen, aber sie verhindert, dass es im Dunkel der Archive verrottet.
Die Frage „Wie wurden sie von den Deutschen behandelt?“ ist daher mehr als eine historische Detailfrage. Sie zwingt uns, hinzusehen, wo wir sonst wegschauen. Sie erinnert daran, dass hinter jeder Soldatin, jeder Nummer in einer Lagerliste, ein ganzes Universum aus Angst, Mut und Verlust stand.
Diese vergessenen Soldatinnen mahnen uns bis heute, dass kein Kriegsverbrechen „nur Geschichte“ ist. In den Narben ihrer Körper und Seelen spiegeln sich die Gefahren von Entmenschlichung, Hasspropaganda und Sexismus. Wer ihre Stimmen hört, versteht, warum echte Gerechtigkeit ohne Erinnerung unmöglich ist – und warum Vergessen nie neutral ist.
